Frank Altrock Coaching
In meiner Lehrprobe habe ich mich mit der Frage beschäftigt, wie wir uns in Präsentationen etc. verständlich ausdrücken können. In der Vergangenheit haben wir sicher alle schon Texte (E-Mails, Vorstandsvorlagen, …) geschrieben. Einige waren brillant, andere lausig. Auch im mündlichen Vortrag. Meine Vorlesungen z.B. waren manchmal überdetailliert, unstrukturiert und langatmig, manchmal waren sie so packend, dass man Stecknadeln fallen hören konnte. In Anlehnung an I. Langer, F. Schulz v. Thun und R. Tausch hängt die Verständlichkeit an folgenden vier Erfolgsfaktoren:
Diese Faktoren können noch weiter auf die Formel "KKK" (kurz, knapp, konkret) eingekürzt werden. Sie lassen sich auf die Vermittlung einfacher Sachverhalte („Wie ist die Vorfahrt an einer Ampelkreuzung geregelt?“) anwenden, aber auch auf komplizierte („Was versteht man unter der ‚Modified Duration‘ eines Wertpapiers?“). Ich erinnere mich z.B. an eine sehr verständliche Präsentation eines sehr komplizierten Themas des Nobelpreisträgers Gérard Debreu in Bielefeld. Zwar gibt es ein paar Gegenläufigkeiten zwischen den Faktoren (z.B. zu viel anregende Zusätze verhindern die Beschränkung aufs Wesentliche), aber das Kochrezept für verständlichen Ausdruck ist im Grunde nicht so kompliziert. Warum kommt trotz dessen Kenntnis so viel Unverständliches dabei heraus?
Eine mögliche Erklärung liefern innere Konflikte: eigentlich würden wir uns ja verständlich ausdrücken, aber andererseits … Ausgangspunkt der Gegenargumente ist meistens irgendeine Form von „Nicht-OK sein“. In dessen angestrebter Bewältigung spielen ursprünglich einmal nützliche innere Glaubenssätze und sonstige Anpassungen, die wir uns in unserer Kindheit als damals wirksam angeeignet haben, eine Rolle. Im Stress werden diese unbewussten Muster handlungsleitend („Skriptverhalten“). Für die heutige Situation sind sie oft unangemessen und ungeeignet. Mir sind folgende (nicht immer überschneidungsfreie) Motivlagen eingefallen. Deren Systematik korrespondiert übrigens mit einer alten Typenlehre seelischer Muster:
Warum drücken Sie sich unverständlich aus? Welche der genannten Motivlagen trifft auf Sie tendenziell am meisten zu? Stimmt das wirklich, was die zugehörige innere Stimme Ihnen in dieser Situation glauben machen will? Was bräuchten Sie, um sich davon zu lösen?
‚What to do‘: In der wenige Tage später stattfindenden Intervisionsgruppe „LernLab“ zum Studiengang haben wir diesen Fragen nachgespürt und erste individuelle Impulse entwickelt. In weiteren Schritten kann das auf Anerkennung durch andere gerichtete „Skriptverhalten“ an der Wurzel gepackt werden, und es können Lösungsstrategien entwickelt werden. Diese bestehen insb. in der Verinnerlichung von Erlaubnissätzen (z.B. „die Leute mögen mich, unabhängig davon, ob ich viel gutes Wissen liefere“). Die „Erlösung“ erfolgt hierbei möglichst sanft und in einer spezifischen Weise für das seelische Muster, welches auch danach weiterhin durchscheint. Auch psychische Dispositionen (z.B. Aufmerksamkeitsdefizite) müssen ggf. beachtet werden.
Und was ist zu diesem Thema aus alter Zeit bekannt: wenn wir noch eine Ebene tiefer gehen, was sagen die 'old rocks' der Menschheitsgeschichte über das gute Leben hierzu? Mir fallen zwei Zitate ein:
"Nur selten oder nie begegnen auf der Fahrt
Hiernieden zweie sich von gleicher Sinnesart.
Was jenem wichtig scheint, hält dieser für entbehrlich,
Und was der wichtig nennt, ist jenem nur beschwerlich.
Daher ein Lehrender und Lernender sich nie
Im Grunde ganz verstehn, doch lehren, lernen sie.
[…] Durch Lehren lernen wir; das Sprichwort bleib‘ in Ehren,
Doch wahr ist’s auch, dass wir durch Lernen selbst uns lehren.”
aus: Friedrich Rückert - Die Weisheit des Brahmanen, 1836
„Jeder Mensch ist eine in Ausführung befindliche Arbeit, die sich langsam, aber unaufhaltsam ihrer Vollkommenheit nähert."
aus: Elif Shafak - Die vierzig Geheimnisse der Liebe
(über den persischen Mystiker Schams-e Tabrizi, 1244), S.148
Bildquellen: Kloster Holzen GmbH, Eigene Grafik basierend auf Angela_Yuriko_Smith und frau_schatzkiste auf pixabay