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"42": Was ist der Sinn des Lebens, ... und von Banken?

Frank Altrock • 9. Februar 2023
Gestern bei bestem Wetter Klausuren an der Hochschule Trier in Banking und in Mathematik beaufsichtigt. In der Banking Klausur spielte Banktheorie in Form des Diamond-Modells und des Diamond-Dybvig-Modells eine Rolle. Die Namensgeber dieser Modelle, Philip Dybvig und Douglas Diamond, erhielten zusammen mit Ben Bernanke im vergangenen Jahr den Nobelpreis für Wirtschaft.

Darin wird erstmals wirklich schlüssig erklärt, warum es eine richtig gute Idee ist, Banken zu haben und warum, wenn es sie noch nicht gäbe, man sie bald erfinden sollte. Manche sagen: „Warum beschäftigt man sich überhaupt damit, warum es Banken gibt. Es gibt sie nun mal. Dann lernen wir doch am besten, wie man sie steuert, welche Spezifika in der Rechnungslegung und Regulierung es für sie gibt etc.“ Das ist auch sehr wichtig, aber ein bisschen erinnert mich diese Haltung an „42“. „42“ ist das Ergebnis, das der Supercomputer Deep Thought im ironischen Science-Fiction-Roman „Per Anhalter durch die Galaxis“ von Douglas Adams nach über 7 Mio. Jahren Rechenzeit ausspuckt. Und zwar als Antwort auf die Frage aller Fragen, nämlich die „nach dem Leben, dem Universum und dem ganzen Rest“. Die Antwort ist richtig, aber dass sie dennoch als unbefriedigend von den sehnsüchtig wartenden Menschen empfunden wird, erklärt der Supercomputer damit, dass die Frage von den Vorfahren zwar grob genannt, aber niemals konkret formuliert wurde. Deep thought: “I think the problem, to be quite honest with you, is that you've never actually known what the question is."

Was also war im Falle des Modells von Douglas Diamond und Philip Dybvig (DD) aus dem Jahr 1983 die Frage? "Wie kann ich einen fairen Teilungsprozess bezüglich erwirtschafteter Zinseinnahmen unter Pechvögeln und Glückspilzen organisieren?" Genauer: bei einzelnen Investoren können unerwartete Liquiditätsnöte entstehen, z.B. weil das Auto überraschend einen Totalschaden hat, so dass sie vorzeitig an ihr langfristig angelegtes Geld müssen; wie kann ich angesichts solcher individueller Liquiditätsnöte einzelner Investoren Finanzmärkte so organisieren, dass opportunistische Glückspilze (d.h. Investoren, denen das Schicksal eine akute Liquiditätsnot erspart hat) die Zinseinnahmen fair mit Pechvögeln (d.h. Investoren, denen das Schicksal eine akute Liquiditätsnot beschert hat) teilen?


Hierfür gäbe es verschiedene Organisationsmöglichkeiten: beispielsweise könnte eine zentrale Planungsbehörde die Liquiditätsnöte der Pechvögel administrieren und dafür sorgen, dass sie an ihr Geld kommen und für die vergangene Zeit der Anlage noch einen einigermaßen fairen Zins erhalten. Nur mit zentralen Planungsbehörden ist das so eine Sache. Eigentlich sind doch in einer marktwirtschaftlichen Ordnung Märkte die leistungsfähigsten Koordinationsmechanismen, die es gibt. Das gilt sicher und in besonderem Maße auch für Finanzmärkte. Warum also leihen sich einzelne Akteure auf den Finanzmärkten nicht einfach direkt langfristig Geld untereinander? Wenn jemand ein Pechvogel ist, könnte er seine Liquiditätsnot dadurch beheben, dass er seinen vergebenen Kredit auf dem Sekundärmarkt veräußert. Das Problem ist hierbei nun allerdings, dass auf einem solchen Sekundärmarkt die Pechvögel in einer schlechten Verhandlungsposition sind und ausgebeutet würden. Die Glückspilze, die im Vorhinein die Idee der Solidarität mit den Pechvögeln im Prinzip ganz charmant fanden, also die bereit wären, ein wenig von ihren hohen Zinseinnahmen für die langfristige Geldanlage mit den Investitionsabbrechern zu teilen, werden sich auf dem Sekundärmarkt an diese Solidarität konkret nicht erinnern, jetzt, wo sie wissen, dass sie Glück gehabt haben. Sie verhalten sich egoistisch.


Damit hat die Diagnose von DD bezüglich Finanzmärkten Ähnlichkeiten zu anderen Problemen von Marktversagen, die es aufgrund von sog. externen Effekten gibt, also den nicht ausgeglichenen Auswirkungen einer ökonomischen Entscheidung auf andere. Z.B. wäre es eigentlich besser, ein wenig Bequemlichkeit und Zeit zu opfern und mit dem Fahrrad oder der Bahn zu fahren. Wenn alle dies tun würden, hätten wir sauberere Luft etc., was allen zugutekäme. Die hätten wir allerdings auch, wenn alle anderen dies machen würden und nur wir selbst schön bequem mit unserem Auto fahren und Zeit sparen. Bzw.: wenn alle anderen auch mit dem Auto fahren, können wir auch nichts mehr ausrichten. Also ist Auto fahren für uns in jedem Fall die bessere Strategie. Und für jeden anderen auch. Und alle wissen dies voneinander. Also fahren alle mit dem Auto und die Luft ist mies. Die andere Strategiekombination wäre besser, aber wir können uns nicht glaubhaft an das wünschenswertere Verhalten binden. Dies ist in der sog. Spieltheorie ein „Gefangenendilemma“.

Es ist das Verdienst von DD und anderen, den Analyserahmen der Spieltheorie in die Theorie der Finanzmärkte eingeführt zu haben. Denn das DD-Modell ist im Kern spieltheoretisch (allerdings kein Gefangenendilemma). Sind Banken als Finanzintermediäre also wie Emissionszertifikate die Lösung des Problems? Douglas Diamond und Philip Dybvig die Greta Thunbergs der Finanzmärkte? Ein stückweit schon.


In der weiteren spieltheoretischen Analyse zeigen DD dann auf, dass Banken instabil sind und deren segensreiche Wirkung in Bank Runs zusammenbrechen kann, wofür es dann Einlagensicherung braucht. Hierüber wurde auch viel berichtet. Die hier dargestellte grundlegende Sicht von DD auf Banken als „Selbsthilfeeinrichtung gegen den eigenen Egoismus“ wird in der Berichterstattung über den Nobelpreis an DD aber meist nicht betont. Sie ist aber wesentlich, und auch einigermaßen konträr zum Bild des Bankers als „Bankster“, der schutzlose Kreditnehmer und Einleger ausbeutet, hohe Kosten (z.B. für Glaspaläste in Frankfurt) verursacht und aus unerschöpflicher Gier unanständig viel Gewinn macht.


DD haben den Blick dafür geschärft, dass Banken im Kern Liquiditätsversicherer sind und es keine steuernde und prüfende Instanz zur Regulierung von Liquiditätsnot braucht, sondern dass dies dezentral wie auf Märkten geschehen kann, nur eben mit Banken. Die DD-Theorie ist auch hilfreich für aktuelle Fragen der Kreditmarktarchitektur, z.B. die Frage, ob Peer-to-Peer-Lending-Plattformen, ggf. ergänzt um Sekundärmärkte, eine gleichwertige oder bessere Alternative zu Banken sind.


Wie ist Ihr Bild von Banken?


Naja, und die Frage nach dem Leben, dem Universum und dem ganzen Rest stellt man wahrscheinlich eh besser (wo)anders.…

Bildquellen: Eigene Aufnahme, Pixabay/brenkee, Dall-E i.V.m. CC BY 2.0 (Raph_PH - Glastonbury2022 und timesofindia)


von Frank Altrock 22. Mai 2023
Vorab ein Beispiel: "Der labert sich eins zurecht, so ein schlechter Vortrag ist kaum zu ertragen. Kann dem nicht mal einer Bescheid sagen?" "Habe ich schon, aber er ändert nichts!" Kennen Sie solche Situationen auch? Und das Gefühl, dass es bei Ihnen hinterlässt? In diesem Blogbeitrag beschäftige ich mich u.a. mit "Overexplaining", und was dabei möglicherweise wirklich hilft. Am vergangenen Wochenende fand die Abschluss-Supervision der Teilnehmerinnen und Teilnehmer der berufsbegleitenden Studiengänge von Team Dr. Rosenkranz in „Systemischer Organisationsentwicklung" im wunderschönen Hotel Kloster Holzen bei Augsburg statt. Dabei hatten wir zunächst im kleinen Kreis Gelegenheit, zentrale Erkenntnisse zum sozialen Lernen während unseres Studiums (und darüber hinaus) unter Supervision von Hans Rosenkranz zu reflektieren. In etwas größerer Runde stand dann eine „Lehrprobe“ zu Methoden des Coachings, Trainings oder Consultings an. Hierbei und schließlich in weiteren Open Spaces entstand ein facettenreiches, anregendes, persönlich verbindendes und begeisterndes Miteinander, das Herz, Hirn und Hand ansprach.
von Frank Altrock 27. Januar 2023
Vorab ein Beispiel: A ist genervt von einem bestimmten Verhalten von B. Was kann A tun, um B hierüber zu informieren und möglicherweise dazu zu bringen, sich nicht mehr so zu verhalten? In diesen Tagen ging das Seminar „ Konfliktmanagement und Kooperation “ an der Hochschule Trier zu Ende. Die Studierenden erarbeiten in diesem Semester zunächst in Seminararbeiten die Konflikttheorie, um dann später in Selbsterfahrung eigenem Konflikt- und Kooperationsverhalten nachzuspüren und Kommunikationstechniken zu erarbeiten. Ein zentraler Ankerpunkt war das Eisbergmodell der Kommunikation. Darin beschreibt die Inhaltsebene die Aufgaben, Sachziele und fachlichen Inhalte. Diese stehen häufig im Vordergrund und sind Hauptgegenstand der Kommunikation. Die Prozessebene hingegen beinhaltet die Gefühle der Einzelnen und die sozialen Beziehungen zwischen ihnen. Nach dem Modell ist sie die ausschlaggebende re für gelingende Kommunikation und damit Kooperation. Obwohl sie allpräsent ist, wird über ihre Inhalte selten gesprochen, sie ist gleichsam der unter der Wasseroberfläche liegende größere Teil des Eisbergs. Reife und erfolgreiche soziale Gruppen kommunizieren unter bewusster Wahrnehmung dieser Ebene und über diese Ebene (Metakommunikation), ohne die Inhalts- und Erfolgsorientierung zu vernachlässigen.
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