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Weiches Feedback vs hartes Rollenverhandeln

Frank Altrock • 27. Januar 2023
Vorab ein Beispiel: A ist genervt von einem bestimmten Verhalten von B. Was kann A tun, um B hierüber zu informieren und möglicherweise dazu zu bringen, sich nicht mehr so zu verhalten?

In diesen Tagen ging das Seminar „Konfliktmanagement und Kooperation“ an der Hochschule Trier zu Ende. Die Studierenden erarbeiten in diesem Semester zunächst in Seminararbeiten die Konflikttheorie, um dann später in Selbsterfahrung eigenem Konflikt- und Kooperationsverhalten nachzuspüren und Kommunikationstechniken zu erarbeiten. Ein zentraler Ankerpunkt war das Eisbergmodell der Kommunikation. Darin beschreibt die Inhaltsebene die Aufgaben, Sachziele und fachlichen Inhalte. Diese stehen häufig im Vordergrund und sind Hauptgegenstand der Kommunikation. Die Prozessebene hingegen beinhaltet die Gefühle der Einzelnen und die sozialen Beziehungen zwischen ihnen. Nach dem Modell ist sie die ausschlaggebendere für gelingende Kommunikation und damit Kooperation. Obwohl sie allpräsent ist, wird über ihre Inhalte selten gesprochen, sie ist gleichsam der unter der Wasseroberfläche liegende größere Teil des Eisbergs. Reife und erfolgreiche soziale Gruppen kommunizieren unter bewusster Wahrnehmung dieser Ebene und über diese Ebene (Metakommunikation), ohne die Inhalts- und Erfolgsorientierung zu vernachlässigen.

Im Seminar haben wir zwei Erfolgsstrategien hierzu erarbeitet: eine ist Feedbacknach der WWW-Methode: Wahrnehmung,Wirkung,Wunsch. Im Beispiel verbindet A über Feedback ihre Wahrnehmung des beim Gegenüber beobachteten Verhaltens (Außenbeobachtung) mit einer Information darüber, welche Emotion sie angesichts dieses Verhaltens empfindet (Innenbeobachtung). Sie schließt das Feedback mit einem Wunsch ab, der über das aus ihrer Sicht gewünschte Verhalten informiert. Ob es bei B zu einer Verhaltensänderung kommt, liegt nicht in As Hand. Im Unterschied zur Ausübung von harten Machttechniken (Zwang, Drohung, Manipulation), die auf lange Sicht problematische Begleiterscheinungen für die Kooperation haben können, setzt die - so gesehen eher weiche - Feedback-Strategie der Metakommunikation also darauf, dass B etwas über die Wirkungen seines Verhaltens lernt und sein Verhalten ändert, aus Eigeninteresse oder, weil er aus Empathie ein Interesse hat, keine Störungen bei seinen Kommunikationspartnern zu erzeugen. 

Eine zweite Erfolgsstrategie ist ein härterer Ansatz: beim Rollenverhandeln nach Roger Harrison werden wie beim Feedback Verhaltenswünsche geäußert, und es findet Metakommunikation statt. Anders als beim Feedback verzichtet Rollenverhandeln aber auf die Innenbeobachtung, also insb. auf den Bericht darüber, welche Gefühle das Verhalten des B bei A auslöst. Vielmehr sagt A nur: „Es würde meine Effektivität verbessern, wenn Du (dies) … weniger machen würdest, (jenes) … mehr machen würdest und (drittes) … beibehalten würdest.“ Ebenso wie bei Feedback setzt Rollenverhandeln weiter auf Freiwilligkeit der Verhaltensänderung, es wird also weiterhin kein Zwang ausgeübt, etwa durch Drohungen. Allerdings ignoriert es nicht die bestehende Machtverteilung: B hat die Möglichkeit, für eigene Vorteile As Effektivität zu beinträchtigen. Warum sollte er in Zukunft davon ablassen? Die Antwort bei Rollenverhandeln: weil auch A die Macht hat, Bs Effektivität zu beeinträchtigen. Wenn man unterstellt, dass Verhaltensänderungen weniger kosten als sie dem anderen nutzen, können beide ihre Effektivität steigern. Nachdem sie sich präzise ihre Wünsche vorgetragen haben, verhandeln sie bilateral über das ‚Was‘ und das ‚Wie oft‘ etc. der angestrebten Verhaltensänderungen und erzielen möglicherweise eine Einigung. Rollenverhandeln funktioniert auch unter nicht empathischen Egoisten. Möglicherweise kann, obwohl nicht explizit Verhandlungsgegenstand, die Prozessebene dadurch verbessert werden, dass gegenseitige Achtung durch den fairen Aushandlungsprozess entsteht.


Feedback versus Rollenverhandeln: Beiden Strategien ist gemeinsam, dass sie die Entscheidungsautonomie des Gegenüber respektieren. B ist in beiden Fällen frei, sein Verhalten zu ändern oder nicht. Welche Strategie ist nun erfolgreicher? Ist Feedback die überlegene Strategie, da es allein den befriedigenden herrschaftsfreien Diskurs bewirkt? Oder ist Herrschaftsfreiheit auch in noch so agilen Umfeldern ohnehin eine nie zu erreichende Utopie, und das Ignorieren bestehender Machtverhältnisse endet im Geschwurbel? Vermeidet Rollenverhandeln die im harten Business-Kontext ohnehin unangemessene sozialpädagogische Lehrbuchharmonie, indem es an die Stelle der Honigtopfkommunikation Klarheit, Geradlinigkeit und Eigennutz setzt? Verhindert der Eigennutz die (bei mangelnder Problembesitzklärung) beim (nicht ganz optimalen) Feedback leicht um sich greifenden Moralisierungen, die nichts anderes als getarnte Verfolger- oder Retterspiele sind? Oder wird durch Rollenverhandeln ‚das Kind mit dem Bade ausgeschüttet‘: verhindert es gerade den sozialen Quantensprung, der in einer Selbstoffenbarung auf Augenhöhe und günstigenfalls in einem Verbundenheitserleben in Aufrichtigkeit besteht, was zu einer substanziellen Verbesserung der Kooperationsbeziehung führen kann? Ist demnach vielleicht die emotionale Entlastung des A durch die Selbstoffenbarung ebenso wichtig wie die Verhaltensänderung des B? Was ist Ihre Erfahrung?

Und was ist zu diesem Thema aus alter Zeit bekannt: was sagen die 'old rocks' der Menschheitsgeschichte über Strategien des guten Lebens hierzu? Mir fallen zwei Zitate ein:

"Von Lob und Tadel hängt mitnichten ab dein Adel,
Doch ehr als halbes Lob wünsch' ich dir ganzen Tadel.
Der Tadel spornet dich, den du gerecht erachtest,
Und ungerechter kränkt dich nicht, den du verachtest.
Doch kahles Lob, wie zur Abspeisung nur bestimmt,
Ein Brocken ists, womit vorlieb ein Bettler nimmt.”

aus: Friedrich Rückert - Die Weisheit des Brahmanen, 1836


„Petrus fuhr fort: […] ‚Auch der Dämon ist ein Engel, doch er ist eine freie, rebellische Kraft. […] Er ist in unserer Arbeit und in unserer Beziehung zum Geld. […] Treiben wir ihn aus, verlieren wir all das Gute, was wir von ihm lernen können, denn er kennt die Welt und die Menschen. Sind wir von seiner Macht zu sehr angezogen, ergreift er Besitz von uns und hält uns vom guten Kampf ab.' “

aus: Paulo Coelho - Auf dem Jakobsweg, S.63

von Frank Altrock 22. Mai 2023
Vorab ein Beispiel: "Der labert sich eins zurecht, so ein schlechter Vortrag ist kaum zu ertragen. Kann dem nicht mal einer Bescheid sagen?" "Habe ich schon, aber er ändert nichts!" Kennen Sie solche Situationen auch? Und das Gefühl, dass es bei Ihnen hinterlässt? In diesem Blogbeitrag beschäftige ich mich u.a. mit "Overexplaining", und was dabei möglicherweise wirklich hilft. Am vergangenen Wochenende fand die Abschluss-Supervision der Teilnehmerinnen und Teilnehmer der berufsbegleitenden Studiengänge von Team Dr. Rosenkranz in „Systemischer Organisationsentwicklung" im wunderschönen Hotel Kloster Holzen bei Augsburg statt. Dabei hatten wir zunächst im kleinen Kreis Gelegenheit, zentrale Erkenntnisse zum sozialen Lernen während unseres Studiums (und darüber hinaus) unter Supervision von Hans Rosenkranz zu reflektieren. In etwas größerer Runde stand dann eine „Lehrprobe“ zu Methoden des Coachings, Trainings oder Consultings an. Hierbei und schließlich in weiteren Open Spaces entstand ein facettenreiches, anregendes, persönlich verbindendes und begeisterndes Miteinander, das Herz, Hirn und Hand ansprach.
von Frank Altrock 9. Februar 2023
Gestern bei bestem Wetter Klausuren an der Hochschule Trier in Banking und in Mathematik beaufsichtigt. In der Banking Klausur spielte Banktheorie in Form des Diamond-Modells und des Diamond-Dybvig-Modells eine Rolle. Die Namensgeber dieser Modelle, Philip Dybvig und Douglas Diamond, erhielten zusammen mit Ben Bernanke im vergangenen Jahr den Nobelpreis für Wirtschaft. Darin wird erstmals wirklich schlüssig erklärt, warum es eine richtig gute Idee ist, Banken zu haben und warum, wenn es sie noch nicht gäbe, man sie bald erfinden sollte. Manche sagen: „Warum beschäftigt man sich überhaupt damit, warum es Banken gibt. Es gibt sie nun mal. Dann lernen wir doch am besten, wie man sie steuert, welche Spezifika in der Rechnungslegung und Regulierung es für sie gibt etc.“ Das ist auch sehr wichtig, aber ein bisschen erinnert mich diese Haltung an „42“. „42“ ist das Ergebnis, das der Supercomputer Deep Thought im ironischen Science-Fiction-Roman „Per Anhalter durch die Galaxis“ von Douglas Adams nach über 7 Mio. Jahren Rechenzeit ausspuckt. Und zwar als Antwort auf die Frage aller Fragen, nämlich die „nach dem Leben, dem Universum und dem ganzen Rest“. Die Antwort ist richtig, aber dass sie dennoch als unbefriedigend von den sehnsüchtig wartenden Menschen empfunden wird, erklärt der Supercomputer damit, dass die Frage von den Vorfahren zwar grob genannt, aber niemals konkret formuliert wurde. Deep thought: “I think the problem, to be quite honest with you, is that you've never actually known what the question is."
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